Re-Thinking Bismarck
Reflections on Light and Shadow of History
Das künstlerisch-gestalterische Konzept ist Ausdruck einer immersiven Erinnerungskultur, die auf unterschiedlichen Ebenen zu einem produktiven, kritischen Diskurs über die Wirkung des kolonial-nationalistisch-völkisch belasteten Bismarck-Denkmals anregt. Die räumliche Licht-/Schatten-Skulptur verschränkt historische Vergangenheit mit sensueller Gegenwart, markiert Beziehungsinterdependenzen und involviert Besucher:innen auf unmittelbare, niedrigschwellige Weise durch Interaktion mit Solargeometrie.
Licht und Schatten – Reflexion, Wandel, Zeit. Das Objekt bildet ein übergreifendes physisches und künstlerisch-philosophisches Dach für die vor Ort stattfindende Vermittlungsarbeit und die Auseinandersetzung mit dem Wirken Bismarcks, dem historischen Kontext und der bisherigen Rezeptionsgeschichte.
Die städtebauliche Dimensionierung nimmt die Bedeutung des Themas und den Maßstab des Areals sowie des Ortes (Denkmalobjekt und Parkareal) auf, um Sichtbarkeit und inhaltlichen Zusammenhang herzustellen. Das Objekt erzeugt eine Fern- und Nahwirkung und bricht mit konventionellen Erwartungen. Die gestalterische Sprache und überraschende Positionierung lösen Aufmerksamkeit durch Irritation aus und hinterfragen so die massive Präsenz und emotionale Wirkung des Denkmals.
Das Licht-/Schatten-Objekt bildet ein Dach und schafft einen mikroklimatischen, sensuell und kognitiv anregenden Raum für vielfältige individuelle und gemeinschaftliche, für analoge, mediale und digitale Interventionen, Reflexionen und Aktivitäten.
In der Nahbetrachtung bildet das Objekt ein immersives Zeit-Raum-Licht-Mensch-Geflecht, das vielschichtige Vertiefungsebenen anbietet und durch Interaktion mit Solargeometrie immer wieder von Neuem erzählt und Neues entdecken lässt.
Ein einfaches und großes Element, dessen Dach, Fläche, Scheibe den Einfall des Sonnenlichts blockiert und einen begehbaren, bespielbaren Raum schafft. Dieser mikroklimatische Raum ist abgedunkelt, kälter als die Umgebung; wer hochschaut, kann die Sonne nicht sehen. Dieser Bruch zwischen außen und innen schafft eine unmittelbare, niedrigschwellige physische Zugänglichkeit, schärft Instinkte und Sinne, regt die Aufnahmefähigkeit auf haptischer und kognitiver Ebene an. Das Zusammenwirken von Schatten und Licht ist für jeden Menschen fühlbar. Es öffnet auf physischer und metaphorischer Ebene Empfindens- und Verstehensräume, macht das Gespinst aus Topographie, Geschichte, Absenz, Universalität und sensueller Gegenwart greifbar.
Ein Konvexspiegel in der lichtblockenden Scheibe sammelt Sonnenlicht aus der reflektierten Umgebung und lässt Lichtstrahlen oder Lichtpools über den Boden oder den Verweilraum für Besucher:innen wandern. Durch diese vom Spiegel verursachten Lichtbewegungen können bestimmte historische Momente gegenwärtig gemacht werden.
Der konvexe Spiegel schafft Verbindung / Beziehung zwischen Denkmal, Objekt und Besucher und macht den Besucher zum Teil der Intervention – setzt ihn in Beziehung zu Denkmal, Person, Geschichte, Gegenwart, macht diese Interdependenzen bewusst und schafft so Räume für individuelle Neu-Kontextualisierungen.
Die „verzerrte“ Abbildung des konvexen Spiegels von Bismarckdenkmal und unmittelbarer Umgebung eröffnet universelle Reflexionsmöglichkeiten in der Betrachtung von Personen und geschichtlichen Ereignissen.